Gedanken zum Volkstrauertag 2015

16. November 2015

Ansprache von SPD-Stadtrat Ulrich Seitz am 14.November vor dem Ehrenmal in der Friedhofshalle Gerlenhofen

Verehrte Anwesende, danke, dass Sie gekommen sind, auch um mit mir die Aufgabe zu teilen, Worte, von mir gesprochene Worte, zu werten, einzuordnen und zu verstehen.

Was bedeutet Volkstrauertag, heute 2015, - 70 Jahre nach Ende des II. Weltkriegs, - 97 Jahre nach Ende des Vorläufers, der Urkatastrophe des 20 Jahrhunderts? 1922 hatte Reichspräsident Friedrich Ebert das Gedenken begründet, Der Volkstrauertag sollte -Zitat- "ein gemeinsames Band schlagen zwischen denen, denen dasselbe Leid wiederfuhr".

Die gibt es inzwischen zeitbedingt nicht mehr. Auch die letzten Betroffenen der zweiten Katastrophe des 20. Jahrhunderts, des II. Weltkriegs: Versehrte, Angehörige, Verfolgte und Vertriebene, Opfer von Terror und Gewalt, von NS-Unrecht, ruhen, so wie ich es erlebe, bald oder längst in Gottes Hand. Dies gilt auch für die Opfer des in deutschem Namen verursachten Unrechts jenseits der Grenzen. Für mich steht Menschlichkeit gegen Sippenhaft und Vergeltung bis ins 3. Geschlecht, auch gegenüber Deutschland. Mit dem Verdrängen von Erinnerung und der Negierung von Schuld hat diese Aussage nichts zu tun. Unsere kollektive staatliche Verantwortung bleibt unverändert richtig und wichtig. Der Volkstrauertag aber bedarf neuem erweitertem Inhalt!

Deutschland im Herbst 2015. Wir erleben einen Flüchtlingsstrom, angetrieben von vielerlei Motiven, überwiegend aber von Angst und nackter Not. Meine Aufgabe heute Abend ist es aber nicht, mich in die politische Debatte einzumischen. Ich will etwas in die Erinnerung zurückrufen, was als große Gemeinschaftsleistung in der Geschichte Deutschlands Fakt ist: die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge und Heimatvertrieben-1945 - 1950. Gerlenhofen selbst ist ein beredtes Beispiel dafür.

Natürlich war damals alles anders. Sie kamen aus einem gleichen Kulturkreis, sprachen eine gleiche Sprache, obgleich man sich mit den Dialekten untereinander schon schwer tat, waren christlicher Religion, hatten überwiegend gleiche historische Wurzeln. Aber trotzdem waren es 1945/46 rund 28.500 Ankömmlinge im Landkreis Neu-Ulm, bis 1950 bundesweit 12 Mio., davon 2,1 Mio. in Bayern. Die wurden verteilt in einem kaputten Land, der zerstörten Städte wegen, verstärkt auf dem Land.

Auch in Gerlenhofen gab es Zwangseinweisungen, wurde die Küche, Gemeinschaftsküche, der Klo, die Waschgelegenheit zur Gemeinschaftseinrichtung. Zuvor hatte die Gemeinde bei ehemals "verdienten" Parteigenossen schon Wäsche aus den Schränken geholt. Von all dem sind wir heute, Gott sei Dank, weit entfernt.

Sie ist gelungen, die Integration, in einem Wirtschaftswunderland, dessen Kind ich bin. Die Situation heute ist längst nicht vergleichbar und unsere rechtsstaatliche Ordnung gibt klare Vorgaben.

Die Vorgabe zum Volkstrauertag, die Lehre aus unserer nationalen Geschichte, lautet 2015: "Lasst Euch nicht erhärten, in dieser harten Zeit!" Gerade nach den Ereignissen, Schrecknissen, von gestern und heute Nacht in Paris. "Lasst Euch nicht erhärten", was nach Wolf Biermann aktuell heißen muss: "Lasst Euch nicht verführen", von Demagogen, Stimmungsmachern, zu Aussagen, Handlungen, die eurem Herzen, eurem christlichen Glauben eigentlich zuwider sind. Macht es euch nicht bequem! Horcht auf euer Herz und nicht auf das Geschwätz der Stammtische! Artikuliert eure Ängste, aber bleibt besonnen. Grund zur Panik gibt es nicht! Zu tun aber gibt es viel.

Wenn nun das Lied vom "Kameraden" erklingt, dann denkt daran, dass Euer Kamerad im Alltag der Zukunft, der Zukunft unserer Kinder, ob Ihr wollt oder nicht, nicht rein weiß und nicht unbedingt christlichen Glaubens sein wird. Er muss Kamerad sein! Wenn jetzt der 3-malige Salut erklingt, dann ehrt er die Opfer unseres Volkes und anderer, deren Leid wir in der Vergangenheit verschuldet haben.

Der Knall der Kanone, wäre aber auch ein gutes richtiges Signal auf zu wachen, persönliches Engagement zu wecken, nach vorwärts zu blicken - sich der Verantwortung der Gegenwart offenen Herzens zu stellen.

Ich danke Ihnen!

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